Transformation im Bewerbungsprozess – Das Vorstellungsgespräch

von | Apr 1, 2023 | Alle Beiträge, Beruflich wieder einsteigen, Berufliche Neuorientierung, Outplacementberatung neu gedacht | 0 Kommentare

Verkrustete Vorstellungsgespräche versus hippe Vorstellungsgespräche – die bereits stattgefundene Transformation im Bewerbungsprozess

Wer hat nicht die Erfahrung im Kopf, im Bewerbungsgespräch richtig geprüft und ausgefragt zu werden? Man fühlte sich als Bewerber*in oft unterlegen und nicht wertgeschätzt. „Betteln“ um die Stelle war angesagt. Man fühlte sich als Bittsteller*in.

Heutzutage hat sich das Bild in der Bewerbungslandschaft verändert. Firmen ringen selbst um die besten Bewerber in Zeiten des Fachkräftemangels. Sie sind gezwungen, sich selbst gut zu präsentieren im Rahmen ihres Employer Brandings. Der war of talents hat schon längst begonnen.

Aber: Er scheint doch noch nicht bei allen Firmen und Unternehmen angekommen zu sein.

Kürzlich schilderte mir eine Klientin, selbst Führungskraft über ihr kürzlich erlebtes Vorstellungsgespräch als Bewerberin.

Vorab erhielt sie per Post die Einladung mit genauen Uhrzeit und Ort für das persönliche Gespräch. Da keine weiteren Informationen erwähnt wurden, ging sie von ca. max. 1,5h Stunden aus.

„Zuerst wurde ich am Anfang von einer Dame abgeholt, die sich nicht vorgestellt und mich dann in einen kleinen Raum mit wenig Licht, der nur spärlich mit einem Schreibtisch und einem Stuhl bestückt war, gesetzt hat. Auf dem Schreibtisch lag ein schmuckloses Blatt mit drei Aufgaben, die ich per Flipchart, Moderationskarten lösen musste, mit dem Ziel der anschließenden Präsentation. Nach 45 min. Bearbeitungszeit wurde ich von dieser Dame wieder abgeholt und in einen größeren Raum geführt, in dem weitere 4 Personen saßen. Diese haben sich nicht vorgestellt, sondern mich gleich gebeten, meine Ergebnisse zu präsentieren, was ich auch getan habe. Es gab dazu keine Rückfragen. Anschließend musste ich ein Rollenspiel zum Thema „Schwierige Mitarbeitergespräche“ durchführen. Auch hier wieder irritierende Blicke, weil ich dem Rollenspieler, ein „schwieriger Mitarbeiter“, zum Gesprächsbeginn ein Wasser angeboten habe. Nach einer kurzen Pause wurden mir fachliche Fragen gestellt, ausschließlich vom Geschäftsführer. Das Ganze ging 3 Stunden, ohne dass Fragen zu meiner Motivation, Stärken oder sonstiges kam. Ich solle dann nächste Woche Bescheid erhalten, ob ich die Stelle erhalte. Die Verabschiedung war kühl und sachlich.“

„Was war das denn“, meine Klientin war sichtlich echauffiert, da sie selbst als Führungskraft ganz andere Vorstellungsgespräche durchgeführt hat, und zwar nämlich so:

  1. Im Vorfeld: Der Bewerber erhält eine Einladung per Mail mit dem genauen Ablauf inkl. Dauer und den genauen Ansprechpartner. Je nach Position wurden die Aufgaben im Vorfeld verschickt.
  2. Der ganze Bewerbungsprozess ist zusätzlich auf der Homepage nachvollziehbar abgebildet.
  3. Im Gespräch selbst: Es herrscht eine wertschätzende Atomsphäre, darauf wird im hohen Maß Wert gelegt. Die einzelnen Gesprächspartner stellen sich vor. Der Ablauf wird erklärt. Die Gesprächsanteile sind ausgewogen. Die Arbeitsaufgabe wird diskutiert. Es entsteht im Gespräch selbst ein Dialog. Der Bewerber*in kann Fragen stellen. Sie/er erhält ein kurzes 1. Feedback. Der Arbeitgeber bedankt sich, dass der Bewerber*in da war und sich Zeit für das Gespräch genommen hat.
  4. Der Ort: Die Gespräche finden in einem abgeschirmten Loungebereich innerhalb des Unternehmens statt: Weg vom kühlen Büro. Die Kleiderordnung ist leger.
  5. Nach dem Gespräch: Der Bewerber erhält zeitnah ein Feedback, ob es weitergeht oder nicht und vor allem wie es weitergeht. Er wird selbst auch gebeten, ein Feedback zu geben.
  6. Im 2. Gespräch wird das Team dazu gezogen. Kann und möchte der Bewerber*in mit dem Team arbeiten? Es ist ein gegenseitiges Kennenlernen.
  7. Im 3. Gespräch werden in der Regel die Formalitäten und weitere Details zur Aufgabe besprochen. Der Arbeitsvertrags wird zeitnah zugeschickt und eine Bedenkzeit wird vereinbart bzw. eine weitere Zeit zur Klärung von Fragen.
  8. Die Zeit von der Zusage bis zum Onboarding: Einladung zu Firmenevents, social Aktivitäten der Firma, zukünftiger Chef kontaktiert seinen zukünftigen Mitarbeiter, Integration in die sociale Businessnetzwerke.
  9. Onboarding: Darauf wird ebenfalls Wert gelegt: Wer ist der Mentor, der sich um den gesamten Prozess+Netzwerk ins Unternehmen kümmert? Wer ist für fachliche Fragen da? Wie läuft die Kommunikation? Wie laufen die Feedbackgespräche?
  10. Bei einer Absage erhält der Bewerber*in Informationen, die sie/er für ihren/seinen weiteren Bewerbungsprozess verwenden kann. Die Absage wird individuell gestaltet, auch nicht nur per Brief, sondern zuerst ein klärendes Telefonat.

Ergebnis: Der Bewerber*in fühlt sich als Person wahrgenommen und wertgeschätzt.

Es gibt mittlerweile eine Vielzahl an (kreativen)Vorstellungsgesprächen, bis hin dazu, dass die Teammitglieder ihren zukünftigen Chef interviewen können.

Sind nun die Arbeitgeber in der Rolle der Bittsteller?

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